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Einleitung zum Stadtrundgang im Januar 2012

Anlässlich der »International Urban Operations Conference«

Guten Tag und willkommen auf dem Stadtspaziergang »militärisch-unterwegs«,

mit dem wir die Aufmerksamkeit für Firmen, Lobbyverbände und Institutionen schärfen möchten, die sich am Geschäft mit dem Krieg bereichern, aber auch an mutig gewagten antimilitaristischen Protest und Widerstandshandlungen erinnern möchten. Nach dem Motto »war starts here« ist die Intention unseres Rundgans nicht nur die der reinen Informationsvermittlung, wir möchten nicht nur die Verantwortung »der Anderen« markieren, sondern auch die Reflexion über das eigene Handeln anregen. Denn die gesellschaftlichen Strukturen und Bereiche, die an der Entwicklung, Produktion und letztendlich dem Einsatz von Rüstungsgütern einen Anteil haben, gehen weit über die »klassischen Firmen« hinaus.

Das Datum des heutigen Rundgangs haben wir anlässlich der in wenigen Tagen in Berlin stattfindenden Tagung »International Urban Operations Conference« gewählt. Ein Propaganda- und Werbekongress für Rüstungsfirmen und manch zivile Forschungseinrichtung, weshalb wir auf unserem heutigen Rundgang u.a. den Fokus auf die im Rüstungsgeschäft tätigen Interessen- und Lobbyverbände richten wollen sowie auf die zivile Dimension des Militärischen. Mit der zivilen Dimension meinen wir die Einführung des Militärischen u.a. über zivile Bereiche.

Die Tagung beschäftigt sich mit »sicherheitspolitischen« Maßnahmen in städtischen Räumen, die Vortragsreihe umfasst eine Vielzahl von Mitteln der Aufstandsbekämpfung: Spionage- und Überwachungstechniken, Nachtsichtgeräte zur Verbesserung der Kampffähigkeit bei Dunkelheit, Waffensystemen für Bodentruppen oder Schutzmaßnahmen für kritische Infrastruktur. Wir haben bewusst den Begriff der »sicherheitspolitischen« Operationen gewählt, weil die entwickelten Technologien vor dem Hintergrund der zugrunde gelegten Szenarien und Ereignisse nicht nur von Armeen in Kampfeinsätzen, sondern auch bzw. zuerst im zivilen Bereich Anwendung finden können. So z.B. Systeme für die Sicherheit von Großereignissen wie Sportveranstaltungen oder Gipfeltreffen, die Sicherung von Infrastruktur, u.a. für große Verkehrsbetriebe oder für Katastrophen- und Rettungseinsätze. Mit dieser Begriffsverwendung wollen wir keinem Orwellschen Neusprech auf dem Leim gehen und uns Krieg als Frieden verkaufen lassen, sondern uns verdeutlichen, dass manch militärisch verwendete Technologie, zunächst in zivilen Bereichen angewendet wird und auch die an der Herstellung und Vermarktung beteiligten Akteure nicht ausschließlich aus dem militärischen Bereich kommen.

So sollen z.B. auf der Konferenz neben den Militärs und Vertretern von Rüstungsschmieden auch wissenschaftliche Mitarbeiter ziviler Forschungseinrichtungen referieren, wie z.B. aus Abteilungen der Frauenhofer-Gesellschaft und dem Karlsruher Institut für Technologie. Obwohl viele universitäre Einrichtungen einer sogenannten »Zivilklausel« unterliegen, also die Forschungsergebnisse nur für friedliche Zwecke genutzt werden dürfen, finden die Erkenntnisse von zivilen Forschungszweigen immer wieder auch Anwendung im militärischen Bereich. So wird ein Navigationssystem, das Innenräume ausspähen oder bei Sehbehinderungen bzw. Sichteinschränkungen wie eine Art Indoor-guide durch Räume führen kann z.B. für die Anwendung für Feuerwehrleute und Rettungsdienste entwickelt. Gleichzeitig kann dieses System im militärischen Bereich aber auch z.B. im Zusammenhang mit Operationen im städtischen Raum angewendet werden. Als sogenannte »Dual-Use-Güter« erhalten sie dann Einzug in den militärischen Bereich. Das dient der Legitimation, ermöglicht das Abschöpfen von EU-Forschungsprogrammen und verschafft den Herstellern auch einen größeren Absatzmarkt.

Auf der Konferenz wird laut Ankündigung über das Equipment gesprochen, das für militärisches Einreifen in Städten erforderliche bzw. im Angebot ist. Begründet wird die Betrachtung der Kampfeinsätze in Städten mit den wachsenden Großstädten in ärmeren Ländern und der damit einhergehenden Instabilität bzw. Unkontrolliertheit aus Sicht der reichen Industriestaaten. Bezeichnet werden diese Operationen als Stabilisierungsmaßnahmen, militärischstrategisch angelegt sind diese Einsätze ein Eingreifen auf zivil-militärischer Ebene im Sinne des NATO-Konzepts comprehensive aproach oder auf deutsch häufig vernetzte Sicherheit genannt. Dies beinhaltet ein militärisches Zuschlagen bzw. Vertreiben feindlicher Kräfte, aber im Rahmen der parallel laufenden oder anschließend erfolgenden Kontroll- und Wiederaufbaumaßnahmen auch die Einbeziehung lokaler Kräfte in der Verwaltung, Polizeieinheiten, Regierungsstellen — ganz im Sinne schon zu Kolonialzeiten praktizierte Konzepte der Aufstandsbekämpfung.

Aber das Konzept der zivil-militärischen Zusammenarbeit wird nicht nur als Besatzungs- und Aufstandskonzept in anderen Ländern praktiziert, sondern eine Ebene der zivil-militärischen Zusammenarbeit wird auch in der BRD als Struktur für sogenannte Großschadenserreignisse aufgebaut. Seit 2007 wird ein Netz von 441 Kreis- und Bezirksverbindungskommandos aufgezogen, in denen Reservisten der BW und zivile Mitarbeiter der Katastrophenstäbe sich auf den »Ausnahmezustand« im Inneren vorbereiten.

Ausgerichtet wird die Tagung von der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik, einer Lobbyorganisation der deutschen Rüstungsindustrie, deren Berliner Vertretung in Berlin-Mitte in der Luisenstr. sitzt. 1957 als Verein auf Initiative der Rüstungsabteilung des BMVg gegründet, beschreibt sich die »Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik, kurz DWT in der Satzung als »neutrale Dialog- und Informationsplattform« im Bereich der »Sicherheits- und Verteidigungspolitik, der Wehr- und Sicherheitstechnik und der Verteidigungswirtschaft«. Die vielen Veranstaltungen, Workshops und Gesprächsrunden, die von der DWT und der Tochtergesellschaft SGW organisiert werden, geben »Gelegenheit zu intensiver Kommunikation und Kontaktpflege«.

Die Gremien und Förderer des Vereins sind durchsetzt von Politikern (CDU,FDP,SPD), Geschäftsleuten (Wehr- und Sicherheitstechnik) und Militärs. Unter den fördernden Mitgliedern finden sich Rang und Namen der Rüstungsindustrie, aber auch Unternehmen wie die DB Tochtergesellschaften »Schenker« und »Transa Spedition«, die Deutsche Post und die Tochterfirma der Telekom, T-Systems.

Sponsoren der Tagung:

  • Astrium (EADS company)
  • Dynamit Noebl Defence
  • KMW
  • MBDA
  • Saab
  • Zeiss
  • etc...