Herbert-Baum-Gruppe
Auf dem Fußweg an der südöstlichen Ecke des Lustgartens (Berliner Dom/ Karl-Liebknecht-Straße) steht ein Gedenkstein, der an einen versuchten Brandanschlag erinnert. AktivistInnen jüdischer und kommunistischer Widerstandsgruppen hatten 1942 versucht, die antikommunistische NS-Propagandaausstellung »Das Sowjetparadies« mit Feuer zu zerstören.
Das Denkmal wurde 1981 in der DDR errichtet und erinnerte mit folgender Inschrift an die Tat: Unvergessen die mutigen Taten und die Standhaftigkeit der von dem Jungkommunisten Herbert Baum geleiteten antifaschistischen Widerstandsgruppe. — Für immer in Freundschaft mit der Sowjetunion verbunden.
Im März 2001 wurde der Gedenkstein an zwei Seiten mit Glasplatten ergänzt. Auf der einen Glasplatte wird in mehreren Sprachen erklärt, das die 1981 in den Stein geschriebene »antifaschistische Widerstandsgruppe« am 18. Mai 1942 einen Brandanschlag versucht hatte und hinzugefügt, dass viele der Beteiligten junge jüdische Frauen und Männer waren. Auf der zweiten Glasplatte sind die Namen von 34 Menschen zu lesen, die im Zuge der auf den Brandanschlag folgenden Repressionsmaßnahmen verhaftet und hingerichtet wurden.
Hinter diesen Namen stehen die Biographien junger Erwachsener, die 1942 zwischen 20 und 30 Jahre alt waren. Einige kannten sich bereits durch die Zeit in jüdischen Kinder- und Jugendgruppen oder im kommunistischen Jugendverband (KJVD). Als Linke und als Juden erlebten sie seit den 30ern die sich verschärfende Diskriminierung und die Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen und politischen Leben. In zunehmendem Maße waren sie der Verfolgung und der Gefahr der Deportation ausgesetzt. Bereits in den 30er Jahren waren sie gezwungen, ihr politisches Handeln in der Illegalität fortzusetzen. Die NS-Gesetzgebung schränkte die Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten der jüdischen Menschen massiv ein. Bereits seit Ende 1938 wurden deutsche und staatenlose Juden in Berlin zur Zwangsarbeit herangezogen, zunächst bei kommunalen Stellen und später hauptsächlich in der Rüstungsproduktion.
Einige von Ihnen waren vom Arbeitsamt zur Jugendabteilung der Firma Siemens & Schuckert nach Spandau geschickt worden. So auch das Ehepaar Baum, die u.a. in dem Betrieb eine Art illegales Netzwerk jüdischer und kommunistischer AktivistInnen organisierten, das somit Teil der so genannten Herbert-Baum-Gruppe wurde.
Die Propagandaausstellung »Das Sowjetparadies« wurde am 8. Mai 1942 hier im Lustgarten, zwischen dem alten Museum und dem Berliner Schloss von dem Staatssekretär des Propagandaministeriums eröffnet. Die mit allen, damals hochmodernen Mitteln der visuellen Propaganda inszenierte Ausstellung, sollte der deutschen Bevölkerung anhand von Fotos und Gemälden sowie nachgebildeten Wohn- und Arbeitsstätten und dem Nachbau eines ganzen Wohnviertels der Stadt Minsk, die Armut, das Elend und die Trostlosigkeit des Lebens in der Sowjetunion nahe bringen und das Gefühl der Überlegenheit der eigenen Nation und »Rasse« über das angeblich unzivilisierte und primitive »Volk« der Sowjetunion hervorrufen.
Zudem sollte der Bevölkerung eingeschärft werden, welchen Gefahr und Not sie unter Sowjetherrschaft zu erwarten hätten, sollte der Krieg verloren werden. Der Feind wurde als unzivilisert, als minderwertig dargestellt und zunehmend noch die Bedrohung des eigenen Lebens durch den Gegner geschürt. So sollte die Kriegslust, die aufgrund der zunehmenden Verluste in der Bevölkerung gesunken war, wieder entfacht und die Bereitschaft der jungen Männer gefördert werden, für Führer und Vaterland, für das Wohl der eigenen Familie sowie gegen die »bolschewistische Gefahr« aus dem Osten zu morden und ggf. auch das eigene Leben zu lassen.
Empört über diese Kriegspropaganda, als Kommunisten von der Darstellung der Sowjetunion provoziert und in ihrer Wut gegen das sie als jüdische Bürger und Bürgerinnen ausgrenzende Regime, entwickelten einige Personen der so genannten Herbert-Baum-Gruppe sowie ein um den Kommunisten Werner Steinbrinck gruppierter Freundeskreis die Idee einer Flugblattaktion als eine Form der Gegenpropaganda. Noch während der Planung wurde die Aktionsidee um die des Brandanschlags erweitert, um die Propagandashow zu sabotieren.
Doch der Brandanschlag am 18. Mai 1942 misslang, die Ausstellung wurde kaum beschädigt.
In den folgenden Wochen wurden fast alle Mitglieder der Herbert-Baum-Gruppe sowie die am Anschlag Beteiligten KommunistInnen um Werner Steinbrinck von der Gestapo festgenommen.
Außerdem wurden am 27./28. Mai 500 Juden in Berlin festgenommen. 250 wurden sofort erschossen, die anderen 250 jüdischen Männer wurden nach Sachsenhausen deportiert.
Die dem Anschlag bzw. der Herbert Baum Gruppe zugeordneten Häftlinge wurden noch im selben Jahr in Plötzensee hingerichtet.
Herbert Baum war bereits wenige Tage nach seiner Festnahme, am 11. Juni 1942 unter bis heute ungeklärten Umständen in seiner Zelle in Moabit gestorben.
Die Ausstellung »Das Sowjetparadies« ist ein Beispiel, wie mit allen Mitteln der propagandistischen und ideologischen Einflussnahme versucht wird, die Kriegs- und Opferbereitschaft aufrecht zu halten.
Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit. Auch in der Gegenwart wird in einem Geflecht aus gesellschaftspolitischen Diskursen, wissenschaftlichen Studien und ideologisch eingefärbten Bedrohungsszenarien an der Bereitschaft für Kriegseinsätze gefeilt.