Die Commerzbank AG
Zwischen Aktiensturz und Kriegsgewinn
Am Pariser Platz 1, direkt hinter dem Brandenburger Tor und in Nachbarschaft zur US-Botschaft hat die Commerzbank AG, das zweitgrößte dt. Bankinstitut, ihre Berliner Repräsentanz. Wer dort allerdings einen Bankautomaten sucht, der wird auf die nächstgelegene Filiale am Alexanderplatz verwiesen. Im Gebäude der Bank befinden sich ausschließlich Lobbybüros, Veranstaltungsräume und ein großer Bankettsaal. Standort, Ausstattung, Ambiente und »Kundschaft« haben sich selbstverständlich auch nicht dadurch geändert, dass der Aktienwert der Bank seit 2008 in die Tiefe stürzte und über den Bankenrettungsfond SoFFin mit einem zweistelligen Milliardenbetrag gestützt werden musste.
Aktivitäten in der Kriegslobby und im Rüstungsgeschäft
Wie viele andere Firmen ist auch die Commerzbank AG Mitglied im »Förderkreis Deutsches Heer«, einer anderen Station unseres Rundgangs. Direkt involviert in die Kaste der KriegsgewinnlerInnen ist die Bank bei einem besonders »kontaminierten« Waffendeal: Im Jahr 2008 wurde auf deren Jahreshauptversammlung durch die Kritischen AktionärInnen die Verstrickung in die mörderischen Geschäfte mit Uranwaffen kritisiert. Der Bericht »Too Risky for Business. Financial Institutions and Uranium Wappons« der Kampagne für ein Uranwaffenverbot klagt die Bank an, im Rahmen eines internationalen Bankensyndikats Kredite vergeben zu haben. Produkte der us-amerikanischen Firma Alliant Techsystems seien im Irak und ehemaligen Jugoslawien eingesetzt worden und in Länder wie die Türkei, Südkorea, Kuwait u. a. exportiert.
Als einflussreiche Persönlichkeit ragt der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank AG Klaus-Peter Müller, Offizier der Reserve, Träger des »Ehrenkreuzes der Bundeswehr in Gold« und Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, heraus. Er arbeitet seit Jahren an einer engen Kooperation von Wirtschaft, Politik und Bundeswehr. Die Commerzbank AG veranstaltete in Zusammenarbeit mit dem Heeresamt im November 2009 zum sechsten Mal die Tagung »Die Wirtschaft an der Seite der Bundeswehr«.
Celler Trialog und «Celler Appell«
Bedeutende Stellung im Gerangel um Geldtöpfe, Absatzmärkte, Renditen, Hirne und Herzen militärpolitischer und wirtschaftlicher Entscheidungsträger_innen hatte jedoch der 2007-2009 jährlich stattfindende, nichtöffentliche »Celler Trialog" mit jeweils 100-160 TeilnehmerInnen.
Celle als Austragungsort eignete sich insofern ganz hervorragend, da sich in naher Umgebung mit Bergen-Hohne Europas größter NATO-Truppenübungsplatz und die Standorte von wichtigen Rüstungsfirmen wie Rheinmetall und EADS befinden.
Neben der Commerzbank als Hauptfinancier fungierte das Bundesministerium für Verteidigung, vertreten durch die 1. Panzerdivision, Kommandostab Hannover, als Veranstalter. Schirmherr war der ehem. Bundespräsident Christian Wulff.
Der 2008 veröffentlichte »Celler Appell« gibt sozusagen die Richtlinien für das weitere Handeln aller involvierten AkteurInnen vor. In ihm wurde ein gemeinsames Verständnis von »Sicherheitspolitik« deutlich und der Ruf nach »innovativen Lösungen« verstärkt. Die »Vernetzte Sicherheit« sei auf ein stärkeres öffentliches Bewusstsein und ein verbessertes Ineinandergreifen der einzelnen Bereiche politischen Handelns und der Wirtschaft angewiesen.
Einschwören auf »Zivil-Militärische Zusammenarbeit«
Klaus Peter Müller hielt — im Vorfeld des stattfindenden »Celler Trialogs« — im Januar 2008 vor der Führungsakademie der Bundeswehr einen beachtenswerten Vortrag: Es sei von eminenter Bedeutung, »dass sich weit mehr Akteure als früher mit sicherheitspolitischen Fragen und Maßnahmen befassen, darunter ganz selbstverständlich — auch — die Unternehmen. Sie sind mehr denn je abhängig von weltweit stabiler, störungsfreier Kommunikation und Logistik. (...)« In seinem Fazit fordert er eine viel breitere gesellschaftliche Diskussion sicherheitspolitischer Fragen: »Denn es gibt nach meiner festen Überzeugung auch eine Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Soldaten. (...) Sie besteht auch darin, der Bundeswehr ideelle Rückendeckung zu geben, sie mit ihren Aufträgen also nicht allein zu lassen, sondern allen Soldaten — und deren Angehörigen! — das Gefühl zu geben, dass ihr Einsatz Anerkennung und Unterstützung findet. Die Bundeswehr braucht als Flankenschutz dringend diesen gesellschaftlichen Konsens. ...«
Der für Anfang September 2010 angesetzte 4. »Celler Trialog« — diesmal in die Stadt Kiel verlegt — wurde abgesagt.
Der letzte »Celler Trialog« fand am 22./23. Mai 2013 statt. Organisator war der CDU-MdB Henning Otte, einziger Kooperationspartner war die »Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik e. V.«. Es nahmen u. a. de Maizière, Armin Pappberger (Vorstand Rheinmetall) und der Generalinspekteur der Bundeswehr Volker Wieker teil. Bei den Gesprächen unter dem Titel »Politik — Bundeswehr — Wirtschaft Kooperation oder Konkurrenz?« forderte Pappberger die Erleichterung der Rüstungsexporte mit dem Argument, dadurch würden Arbeitsplätze gesichert. Auf der Tagung wurde für eine engere Zusammenarbeit von Rüstungsindustrie und Bundeswehr plädiert.
Im Vorfeld und parallel zu den jeweiligen Tagungen des »Celler Trialogs« organisierte ein Bündnis aus antimilitaristischen/autonomen Zusammenhängen mit Unterstützung weiterer (friedenspolitischer) Gruppen und Verbände des linken Spektrums Infostände, themen-spezifische Vorträge, Gegenveranstaltungen sowie Kundgebungen und Demonstrationen insbesondere im Raum Hannover/Celle und auch in Nähe des abgeriegelten Austragungsortes.