MENU    

Die Bertelsmann-Stiftung

Print  Bertelsmann

Typografie: Bild Ein neoliberaler Think Tank als Kriegsstifter
In dieser prunkvollen Hauptstadtrepräsentanz – Unter den Linden 1 – sitzt Bertelsmann. Mit dem leicht verstaubten Buchklub, den die meisten von uns kennen werden, hat das Unternehmen nur noch wenig zu tun, er steht zum Verkauf. Bertelsmann ist eine neoliberale Denkfabrik im Dienste der Eliten. Die Bertelsmann-Stiftung berät die Politik auf höchster Ebene, wo und wann immer es um den Umbau der Gesellschaft entlang ausschließlich ökonomischer Maßgaben geht. Ob Hartz IV, Privatisierung der Gesundheits- und Bildungssysteme oder Außenpolitik: Bertelsmann erstellt Expertisen und Langzeitstudien, veranstaltet Kongresse mit EntscheidungsträgerInnen aus Politik, Wirtschaft und Medien und finanziert in einzelnen Bereichen ganze Forschungsinstitute — setzt so auf wirksame Art und Weise seine eigenen neoliberalen Vorschläge auf die Tagesordnung der politischen Institutionen.

Im Bereich der Außenpolitik ist das „Centrum für angewandte Politikforschung — CAP“ in München von besonderer Bedeutung. Dieses Insititut erstellt seit 2004 jährlich den „Bertelsmann Transformation Index — BTI“, auf den sich Regierung und Ministerien zunehmend stützen. Der BTI beurteilt die Entwicklung in 119 Staaten ärmeren „Weltregionen“ entlang der Zielvorstellung „konsolidierte marktwirtschaftliche Demokratie“ und ordnet sie in ein Ranking ein — eine Bewertung, wie sie in früheren Jahren vom IWF vorgenommen wurde. Neben politischen Bürgerrechten setzt der Index „offene Märkte für Güter und Produktionsfaktoren sowie die Schaffung eines markt- und wettbewerbsfördernden ordnungspolitischen Rahmens“ als „konstitutives Grundelement“ einer in diesem Sinne positiven Entwicklung. Der BTI koppelt Demokratie und Kapitalismus als scheinbar notwendig aneinander, sprich: Eine Regierung muss ihre Politik nach den Marktinteressen der Industriestaaten ausrichten, um Unterstützung zu erhalten. Nicht zuletzt droht am anderen Ende der Skala die Klassifizierung als instabil, wenn nicht gar als “failed state”, woraus die führenden Industriestaaten das Recht ableiten, sich nahezu unbegrenzt einzumischen, bis hin zur kriegerischen Intervention.

Auch für den Fall, dass der neo-koloniale Umbau der außenpolitischen Beziehungen konflikthaft verlaufen sollte, hält Bertelsmann Studien und Empfehlungen für die deutschen und europäischen Behörden bereit, betreibt Agenda-Setting fürs Militär. Die beiden 1996 veröffentlichten Studien „Supermacht Europa“ und „Konfliktdominanz nahe am Krieg Staat gegen Staat“ sprechen für sich. Die EU beginnt ihre Streitkräfte auszubauen, die Mitgliedsstaaten diskutieren über die Festschreibung einer Aufrüstungsverpflichtung in der künftigen EU-Verfassung“ das CAP bleibt am Ball und drängt 2004 in der Studie „A European Defence Strategy“ zum Aufbau „einer deutlichen Luftüberlegenheit und einer Schlagkraft, die von land- und seegestützten Plattformen operieren kann“. Von globaler Rohstoffkontrolle ist die Rede, terroristische Gefahren und Migrationsströme müssen als Begründung herhalten. Sollte Aufrüstung und Militarisierung der Politik verweigert werden, drohen laut CAP noch weit schlimmere Kriegsszenarien, beschrieben 2006 in der Studie „Die Kosten des Nichthandelns“.

Aber Bertelsmann ist nicht nur an der ideologischen Front aktiv. Ganz praktisch bemüht sich die Bertelsmann-Tochterfirma Arvato derzeit um die Übernahme der Bundeswehr-Logistik, die ab 2008 outgesourct werden soll. Der Auftrag wird für 10 Jahre vergeben und hat ein Volumen von rund vier Milliarden Euro. Neben Arvato bewerben sich DHL, ein Konsortium aus Hellmann Logistics, EADS, und Accenture, sowie das DB-Tochterunternehmen Schenker auf den Vertrag. Mit dem Bereich Infrastruktur, d.h. dem Transport und der Lagerung von Material, Waffen und Munition der Bunderwehr wird nach Fuhrpark, Bekleidung und Datenverarbeitung ein weiterer Bereich an die Privatwirtschaft übertragen.